Operational Resilience galt lange als Sonderdisziplin für Krisenmanager, als Notfallplan für seltene, extreme Ereignisse: Rechenzentrum brennt, Leitungen fallen aus, Angriff trifft die Kernsysteme, Lieferant stürzt ab. Dann kam die Dauerkrise – nicht als einzelner Paukenschlag, sondern als Takt: Cloud-Migrationswellen, Release-Kadenz im Wochenrhythmus, global vernetzte Lieferketten, Meldepflichten mit engen Fristen, Angreifer, die sich industrialisiert haben, und Kundenerwartungen, die Ausfallzeiten nicht mehr entschuldigen. Was früher Ausnahmefall war, ist heute Betriebszustand. Operational Resilience 360° bedeutet deshalb nicht, mehr Notfallpläne zu schreiben oder größere Firewall-Wälle zu ziehen. Es bedeutet, das Unternehmen so zu gestalten, dass Störungen einkalkuliert sind, Entscheidungen unter Druck zuverlässig fallen, Wiederanläufe geprüft sind, Beweise nebenbei entstehen und der Normalbetrieb bereits den Krisenbetrieb enthält. Es ist ein Kultur- und Architekturwechsel – vom heroischen Improvisieren zur geprobten Beherrschbarkeit; vom Projekt zur Betriebsleistung; vom Dokument zur Demonstration.
In der Praxis beginnt dieser Wandel mit einer unbequemen Ehrlichkeit: Niemand kann alle Risiken vermeiden, niemand alle Abhängigkeiten herauslösen, niemand ein „Null-Ausfall“-Unternehmen bauen. Die Illusion vollständiger Kontrolle ist selbst ein Risiko, denn sie verführt zu guten Geschichten statt zu belastbaren Fähigkeiten. Wer Operational Resilience 360° ernst nimmt, verabschiedet sich von makelloser Fassade und arbeitet an den Mechaniken dahinter: Wirkzeit statt Reifegrad, Übungen statt Versprechen, Anschlussfähigkeit statt Einkaufsfolklore, Evidenz statt Erinnerung, Reduktion statt Sammeltrieb, und eine Zeitlogik, die über Sicherheit hinaus das Geschäft führt. Das Ergebnis ist keine Organisation, die nicht mehr stolpert, sondern eine, die beim Stolpern nicht fällt – und wieder in den Lauf findet, ohne erst ihren Schuh suchen zu müssen.

 
		
				