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Business Impact Analyse – Kein Hexenwerk

Business Impact Analyse – Kein Hexenwerk Business Impact Analyse – Kein Hexenwerk

Die Business Impact Analyse (BIA) gilt in vielen Unternehmen als kompliziertes und theoretisches Verfahren, das vor allem Berater oder Auditoren lieben, aber in der Praxis schwer greifbar ist. Tatsächlich ist sie ein zentrales Werkzeug für Business Continuity Management (BCM), Notfallplanung und Informationssicherheit – und weit weniger mysteriös, als ihr Ruf vermuten lässt. Eine gut gemachte BIA beantwortet im Kern eine einfache Frage: Was passiert, wenn ein bestimmter Geschäftsprozess oder ein bestimmtes System ausfällt – und wie schnell müssen wir wieder arbeitsfähig sein? Die Kunst besteht darin, diese Frage strukturiert, nachvollziehbar und in einer Sprache zu beantworten, die alle im Unternehmen verstehen.

Der Ausgangspunkt jeder BIA ist die Identifikation der kritischen Geschäftsprozesse. Dabei geht es nicht um jede kleinste Aktivität, sondern um die zentralen Abläufe, ohne die das Unternehmen seinen Zweck nicht erfüllen kann. Das kann je nach Branche sehr unterschiedlich aussehen: Bei einem Onlinehändler ist der Bestell- und Zahlungsprozess kritisch, bei einer Bank der Zahlungsverkehr, bei einem Krankenhaus die Patientenversorgung, bei einer Produktionsfirma die Fertigungsstraße. Um diese Prozesse zu identifizieren, hilft es, sich am Wertstrom zu orientieren: Welche Schritte erzeugen direkten Kundennutzen oder sichern den Umsatz? Prozesse, die „nur“ unterstützend wirken, können ebenfalls kritisch werden, wenn ihr Ausfall andere Abläufe blockiert – etwa die IT-Administration oder das Personalwesen.

Hat man die kritischen Prozesse ermittelt, geht es um den Einfluss eines Ausfalls. Die BIA betrachtet dabei unterschiedliche Schadensdimensionen: finanzielle Verluste, rechtliche Konsequenzen, Imageschäden, Auswirkungen auf Kundenbeziehungen oder auf die Einhaltung regulatorischer Anforderungen. Dabei ist wichtig, nicht nur den Worst Case zu betrachten, sondern auch realistische Szenarien zu durchdenken. Ein Produktionsausfall von zwei Stunden mag verkraftbar sein, zwei Tage Stillstand können Millionen kosten. Ebenso kann ein einstündiger Ausfall der E-Mail-Kommunikation im Alltag verschmerzbar sein, während derselbe Ausfall in einer Hochphase wie einem Produktlaunch katastrophal wäre.

Ein zentrales Ergebnis der BIA sind die beiden Kenngrößen RTO (Recovery Time Objective) und RPO (Recovery Point Objective). RTO beschreibt, wie schnell ein Prozess oder System nach einem Ausfall wiederhergestellt werden muss, um akzeptable Auswirkungen zu haben. RPO gibt an, wie viele Daten – gemessen in Zeit – maximal verloren gehen dürfen. Beispiel: Wenn die RTO für den Zahlungsverkehr einer Bank bei zwei Stunden liegt, muss innerhalb dieser Zeit eine funktionierende Lösung bereitstehen. Liegt das RPO bei 15 Minuten, bedeutet das, dass maximal Daten aus diesem Zeitraum verloren gehen dürfen. Diese Werte sind keine abstrakten Kennzahlen, sondern direkt aus den Geschäftszielen und Risikotoleranzen abgeleitet.

Die BIA ist kein rein technisches Projekt, sondern eine interdisziplinäre Übung. IT-Abteilungen liefern technische Abhängigkeiten, Fachbereiche definieren geschäftliche Auswirkungen, das Management gibt die strategische Richtung vor. In Workshops oder Interviews wird gemeinsam erarbeitet, wie sich Ausfälle auswirken, welche Prozesse voneinander abhängen und welche Ressourcen – Personal, Technik, Dienstleister – notwendig sind, um sie aufrechtzuerhalten. Oft kommen dabei Überraschungen ans Licht: Prozesse, die als unkritisch galten, sind in Wirklichkeit hochrelevant, weil sie eine wichtige Voraussetzung für andere Abläufe sind.

Ein häufiger Fehler bei der BIA ist, sie zu überkomplizieren. Wer versucht, jede mögliche Auswirkung in Zahlen zu fassen, verliert sich schnell in endlosen Diskussionen und Excel-Tabellen. Besser ist es, klare Kategorien zu verwenden, z. B. „gering“, „mittel“ und „hoch“, und diese mit definierten Kriterien zu hinterlegen. So entsteht ein pragmatisches, aber belastbares Bild, das als Entscheidungsgrundlage taugt. Ebenso wichtig ist, dass die BIA nicht als einmalige Pflichtübung verstanden wird. Sie muss regelmäßig aktualisiert werden – mindestens einmal im Jahr oder bei wesentlichen Änderungen in Prozessen, Systemen oder Organisationsstruktur.

Der Mehrwert einer BIA zeigt sich vor allem im Ernstfall. Wenn ein Prozess ausfällt, wissen Verantwortliche sofort, welche Auswirkungen zu erwarten sind, welche Maßnahmen zuerst umgesetzt werden müssen und welche Ressourcen dafür benötigt werden. Die BIA liefert damit die Grundlage für Priorisierung in der Notfallbewältigung. Gleichzeitig ist sie ein wichtiges Argumentationswerkzeug gegenüber dem Management: Sicherheits- oder Redundanzinvestitionen lassen sich mit konkreten Geschäftsauswirkungen begründen, anstatt nur mit abstrakten Risiken zu argumentieren.

Auch für die Informationssicherheit spielt die BIA eine große Rolle. Sie hilft, Schutzbedarf und Risikobewertung auf die tatsächlichen Geschäftsanforderungen abzustimmen. Wer weiß, dass ein bestimmter Prozess bei Ausfall sofort hohe finanzielle Schäden verursacht, kann entsprechende Sicherheitsmaßnahmen höher priorisieren. Umgekehrt kann man Ressourcen sparen, wenn ein Prozess auch bei längeren Ausfällen keine gravierenden Folgen hat.

Die BIA ist also kein Hexenwerk, sondern ein Werkzeug, das Klarheit schafft. Sie zwingt Unternehmen, sich ehrlich zu fragen, was wirklich kritisch ist, wie schnell man wieder arbeitsfähig sein muss und welche Mittel man dafür bereitstellen will. Wer diesen Prozess pragmatisch und regelmäßig durchführt, gewinnt nicht nur an Resilienz, sondern auch an Transparenz – und das ohne übermäßige Bürokratie. Am Ende liefert die BIA genau das, was ihr Name verspricht: einen klaren Blick auf die Auswirkungen von Störungen und eine belastbare Grundlage für alle weiteren Entscheidungen im Notfall- und Sicherheitsmanagement.

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