

Wer MaRisk nur als Rundschreiben im Ablageordner sieht, spürt davon wenig außer Arbeitslast. Wer MaRisk als Betriebssystem für Steuerung und Verlässlichkeit versteht, erlebt etwas anderes: Entscheidungen werden klarer, Überraschungen seltener, und die Organisation reagiert schneller – ohne hektisch zu wirken. Dieser Fachartikel erzählt, wie das gelingt. Nicht mit Paragrafenakrobatik, sondern mit dem Blick auf den gelebten Alltag: Vorstandsrunden, Kreditentscheidungen, Risikoreports, Auslagerungen, IT-Veränderungen, Stresstests. MaRisk ist dabei weder Bremse noch Selbstzweck. Es ist die Logik hinter vernünftiger Banksteuerung, übersetzt in Rollen, Prozesse und Daten.
Der Charme der MaRisk liegt nicht im Umfang, sondern in drei konsequenten Ideen. Proportionalität: Der Rahmen passt sich der Größe und Komplexität eines Instituts an. Risikoorientierung: Wesentliches wird vertieft, Nebensächliches bleibt schlank. Wirksamkeit: Gefordert ist nicht Papier, sondern gelebte Steuerung. Wer diese Trias ernst nimmt, verschiebt die Diskussion vom „Haben wir eine Richtlinie?“ hin zu „Trifft uns dieses Risiko – und was tun wir dann?“.
Diese Haltung verändert den Alltag bereits auf den ersten Metern: Sitzungen werden kürzer und fokussierter, weil Berichtsvorlagen Ampeln statt Volltexte liefern. Gespräche zwischen Markt und Marktfolge werden konstruktiver, weil Ziele und Grenzen nicht mehr verhandelt, sondern vorher vereinbart sind. Und die Interne Revision wird vom Endgegner zur Sparringspartnerin, weil Prozesse überprüfbar, wiederholbar und erklärbar sind.
Man kann die MaRisk-Logik auf drei „Räume“ verteilen, in denen täglich entschieden wird – Vorstandsetage, Geschäft und Stabsfunktionen. Jeder Raum hat seinen Beitrag; zusammen entsteht Steuerungsfähigkeit.
Oben wird aus Strategie Risikoappetit: Die Geschäftsleitung definiert, welche Risiken sie eingeht, in welcher Höhe, mit welchem Puffer und unter welchen Bedingungen. Das ist kein Lippenbekenntnis, sondern übersetzt sich in Limits, Schwellen und Eskalationsregeln. In der Mitte passiert Geschäft – Kreditvergabe, Handel, Zahlungsverkehr, Treasury. Hier geht es um saubere Trennung von Funktionen, kompetenzgerechte Entscheidungen, plausible Modelle und belastbare Frühwarnsysteme. Unten stützen Daten, IT, Compliance, Controlling und Revision das System: Sie sorgen dafür, dass Zahlen stimmen, Prozesse stabil bleiben und Regelverstöße auffallen, bevor sie teuer werden.
Diese drei Räume verbinden Berichte und Schwellenwerte. Was oben beschlossen wird, taucht in der Mitte als Leitplanke auf und unten als KPI. Und wenn es eng wird – beim Limit, im Stress, im Vorfall –, greifen vorher vereinbarte Eskalationswege mit Maßnahmen. So wird aus Papier Praxis.
Viele Institute formulieren Strategien, wenige definieren daraus abgeleitet einen Risikoappetit, der handhabbar ist. Genau hier setzt MaRisk an: Welche Verluste könnten wir tragen? Welches Profil an Zins-, Kredit-, Marktpreis- und Liquiditätsrisiken akzeptieren wir? Welche Klumpen wollen wir vermeiden? Wann bricht der Vertrieb ab, obwohl das Angebot vorliegt?
Dieser Dialog ist unbequem, aber wertvoll. Er zwingt, Prioritäten zu setzen. Ein Institut, das im Kreditwachstum vorne sein will, kann gleichzeitig einen engen Zinsänderungs-Spielraum festlegen und konsequente Sicherheitenanforderungen definieren. Ein Haus mit hoher Transformationsbereitschaft in der IT kann auf Cloud setzen – aber nur binnen klarer Auslagerungsregeln, mit Exit und Mindestkontrollen. Der Effekt im Alltag: Vertrieb weiß, woran er ist. Risikocontrolling weiß, was es messen muss. Der Vorstand weiß, was „viel“ und „zu viel“ bedeutet.
Die Qualität eines Risikoberichts erkennt man in zehn Sekunden: Gibt es vorne eine eine Seite mit den wichtigsten Ampeln, Trendpfeilen und drei Entscheidungsempfehlungen? Oder nimmt man sich eine Kanne Kaffee und hofft auf ein Wunder? MaRisk verlangt keine Dickens-Romane, sondern entscheidungsfähige Informationen: Limitnutzung, Sensitivitäten, Stresstestergebnisse, Datenqualitätslage, Auslagerungsstatus, wesentliche Vorfälle – jeweils mit Schwellen und dem Hinweis, was zu tun ist, wenn Rot leuchtet.
Im Alltag heißt das: Der Vorstand diskutiert Steuerung, nicht Datenerhebung. Der Leiter Marktfolge weiß bereits vor der Sitzung, wo Grenzwerte reißen könnten. Das Treasury bekommt Frühwarnungen nicht als PDF im Nachgang, sondern als Tagesindikatoren. Und die Interne Revision findet keine Excel-Monokulturen, sondern nachvollziehbare Quellen, deren Abweichungen erklärt sind. MaRisk adelt die unspektakuläre Wahrheit: Ohne verlässliche Daten ist jede Strategie Rhetorik.
Nirgends wird der Unterschied zwischen Paragraph und Praxis so greifbar wie im Kreditgeschäft. MaRisk fordert keine Exoten, sondern Disziplin: klare Kompetenzen, Trennung zwischen Markt und Marktfolge, Nachvollziehbarkeit in der Vergabe, solide Überwachung und Frühwarnsysteme, die nicht nur blinken, sondern Hebel auslösen.
Praktisch sieht das so aus: Ratings und Scorings sind nicht nur eine Zahl, sondern führen Entscheidungen. Sicherheiten sind nicht nur registriert, sondern bewertet – mit konservativen Haircuts und realistischen Verwertungsannahmen. Frühwarnindikatoren – Zahlungsstörungen, Sektortrends, Sicherheitenwertschwankungen, Negativmerkmale – zünden vorbereitete Maßnahmen: Intensivbetreuung, zusätzliche Sicherheiten, Covenants, Neugeschäftsstopps. Die Portfoliosicht bündelt das zu Konzentrationsanalysen; sie zeigt, wo Klumpen auf Gegenpartei-, Branchen- oder Regionsebene entstehen – und bremst, bevor die Schlagzeilen es tun.
Zinsbücher, Handelsbestände, FX- und Spread-Risiken werden häufig mit Modellen gemessen, die in ruhigen Zeiten clever wirken und in hektischen Momenten zu spät kommen. MaRisk löst das Dilemma nicht mit Modellfetisch, sondern mit Kombination: Sensitivitäten (z. B. Barwert- und Periodenmaß) plus Stresstests, die stärkere, aber plausible Schocks simulieren, plus Maßnahmenlogik. Gute Häuser haben Grenzwerte mit Handlungszwang: Ab definierten Verlust- oder Sensitivitätsschwellen wird gehedgt, werden Positionen abgebaut, wird Neugeschäft temporär angepasst. Das ist keine Heldenreise, sondern solide Seemannschaft.
Liquiditätssteuerung ist ein guter Charaktertest. Wer nur auf regulatorische Quoten schaut, steuert mit dem Rückspiegel. MaRisk erwartet eine institutseigene Sicht: Liquiditätslagen über die Zeit, Quellendiversifikation, Intraday-Aspekte, Notlaufpläne, Fundingstrategien – getestet in idiosynkratischen und Marktstress-Szenarien. Was auf dem Papier als LCR/NSFR hübsch aussieht, scheitert ohne praktische Notfallroutinen: abgestimmte Kommunikationspläne, Collateral-Management, vereinbarte Trigger, definierte Ersatzquellen. Im Ernstfall zählt jede Stunde – gut, wenn man dann nichts mehr diskutieren muss.
Viele Häuser erfassen Verlustereignisse und haken Self-Assessments ab – und verschenken den Nutzen. MaRisk denkt weiter: Key Risk Indicators werden so gewählt, dass sie steuern, nicht nur berichten. Ein Anstieg von manuell korrigierten Buchungen löst eine Analyse und Prozessänderung aus. Ein Muster bei IT-Störungen mündet in Release-Disziplin und verbesserte Tests. Schäden aus Fehlüberweisungen führen zu Vier-Augen-Schritten an den kritischen Stellen. Und das New-Product-Process (NPP) bremst nicht, sondern beschleunigt – weil die richtigen Fragen früh gestellt werden: Datenbedarf? Modellkonsequenzen? IT-Anpassungen? Bilanz- und Liquiditätsfolgen? Auslagerung und rechtliche Kanten?
Kaum ein Thema hat den Alltag stärker verändert als Auslagerungen. Rechenzentren, Cloud, Kernbankensoftware, Zahlungsverkehr, Analytics – vieles wird von Partnern erbracht. MaRisk erlaubt das, fordert aber Steuerbarkeit. Die Praxisgrundlage ist ein zentrales Auslagerungsregister mit Kritikalitätsbewertung, klaren Vertragsmustern (Audit- und Zugriffsrechte, Informationspflichten, Unterauslagerungen, Leistungskennzahlen), laufendem Providermonitoring und Exit-Strategien. Ohne diese vier Bausteine wird Outsourcing zur Wette. Mit ihnen bleibt das Institut Herr der Risiken, auch wenn Lieferketten lang sind.
Wer den Pragmatismus sucht, fokussiert auf drei Fragen, die in jedem Steering-Komitee auftauchen sollten: Sehen wir, was wir brauchen? (KPIs, Vorfälle, Changes, Security-Events). Dürfen wir, was wir müssen? (Prüf- und Zugriffsrechte, Datentransparenz, Unterauslagerungen). Kommen wir im Zweifel raus? (Exitfahrplan, Datenrückführung, Know-how-Sicherung). Alles andere ordnet sich daran.
IT ist nicht mehr Backoffice, sondern Geschäftsmodell. Deshalb ist der Brückenschlag zwischen MaRisk und den bankaufsichtlichen IT-Anforderungen (BAIT) so spürbar. Governance klärt Rollen, ISMS sorgt für Informationssicherheit mit einem ISB als ansprechbarer Verantwortung, Berechtigungsmanagement verhindert schleichende Rechte-Inflation, Change/Release reduziert Produktionsüberraschungen, Betrieb liefert Nachvollziehbarkeit und Monitoring, Notfallmanagement sichert Wiederanlauf. Die Kunst liegt nicht in hochpolierten Konzepten, sondern in Disziplin: Rezertifizierungen, Vier-Augen-Prinzip, saubere Trennung von Entwicklung und Betrieb, Logging und regelmäßige Auswertung statt Datensammeln.
Gerade bei Cloud-Nutzungen zeigt sich die Praxisnähe. Nicht jede Anwendung ist kritisch, aber jede braucht Einordnung. Datenklassifikation, Betriebs- und Sicherheitskonzept, Standort, Verschlüsselung, Schlüsselverwaltung, Unterauslagerungen, Testatlage – das ist kein Selbstzweck, sondern schützt vor bösen Überraschungen. Wer seine Kritikalitäten ehrlich bewertet und den Rest schlank hält, bleibt schnell und sicher zugleich.
Gute Notfallpläne sind keine literarischen Meisterwerke, sondern handliche Checklisten mit klaren Rollen, erreichbaren Kontakten, getesteten Wiederanlaufzeiten und echten Übungen. MaRisk und BAIT begreifen Notfälle als Teil des Lebenszyklus: Business Impact Analysen (BIA) bestimmen, was wirklich kritisch ist; Recovery Time Objectives (RTO) und Recovery Point Objectives (RPO) geben den Takt vor; technische Wiederanlaufpläne werden mit Fachbereichen geübt. Wer einmal erlebt hat, wie ein produktiver Kernservice auf dem Sekundärstandort startet, diskutiert danach anders über Prioritäten – und streitet weniger über Budgets.
Risikokultur klingt weich, wirkt aber hart. Führungskräfte, die Zielkonflikte benennen, statt wegzulächeln, formen Verhalten stärker als jede Richtlinie. Ein Vertrieb, der einen Deal aus guten Gründen nicht macht und dafür Rückendeckung bekommt, versteht den Risikoappetit besser als nach zehn Schulungen. Eine IT, die ein Release verschiebt, weil die Tests ernsthafte Defekte zeigen, schützt mehr Ertrag, als sie heute kostet. MaRisk macht daraus keine Ethikvorlesung, sondern verlangt Role Model und Konsequenz: Wer gegen klare Regeln verstößt, muss mit echten Folgen rechnen – fair, vorhersehbar, dokumentiert.
Revision wird oft als Endgegner gesehen. In einem wirksam gelebten MaRisk-Rahmen ist sie Sicherheitsgurt und Spiegel. Die besten Effekte entstehen, wenn Revision in Konzeptphasen früh mitliest, ob Mindestanforderungen erreichbar sind, ohne operativ mitzusteuern. Dann ist der Prüfbericht seltener ein Tsunami und öfter die Bestätigung, dass ein Prozess tragfähig ist – mit wenigen, gezielten Findings, die Wirkung entfalten. Umgekehrt sind übervolle Maßnahmenlisten ein untrügliches Zeichen, dass Papier über Praxis gesiegt hat.
Einer der häufigsten Fehler: Datenblindheit. Ohne klare Eigentümerschaft für relevante Felder, ohne einfache Qualitätskennzahlen (Vollständigkeit, Plausibilität, Stetigkeit) und ohne Priorisierung nach Wesentlichkeit werden Risikoberichte zu Schönwettertexten. Ein zweiter Klassiker: Modellromantik. Ein VaR, der nie eine Steuerungsentscheidung auslöst, ist Dekoration. Ein Score, der Preise nicht beeinflusst, ist Statistik. MaRisk fragt nicht: Wie schön ist das Modell?, sondern: Was ändert es im Geschäft?
Der dritte Stolperstein: Auslagerungen ohne Zähne. Verträge ohne Prüf- und Zugriffsrechte, Unterauslagerungen ohne Übersicht, KPIs ohne Grenzwerte – das rächt sich. Und viertens: Notfallmanagement als Ordner. Ohne Übungen bleiben RTO/RPO Zahlen. Mit Übungen werden sie Erfahrungswerte. Wer diese vier Punkte ernst nimmt, erreicht in kurzer Zeit erstaunlich viel.
Ein regionales Institut mit ambitioniertem Wachstum hatte ordentliche Papiere, aber träge Steuerung. Der monatliche Risikobericht umfasste 70 Seiten, die Auslagerungen waren dezentral dokumentiert, Frühwarnsysteme blieben oft folgenlos, die IT sah BAIT als Prüfungsdisziplin, nicht als Betriebsdisziplin.
Der Wendepunkt kam mit drei nüchternen Entscheidungen. Erstens wurde der Risikobericht neu aufgesetzt: vorne eine Seite Ampeln und drei Entscheidungsvorlagen, dahinter Fokus-Kapitel, jedes mit Schwellen und Maßnahmen. Zweitens definierte der Vorstand einen klaren Risikoappetit: Leitplanken für Zinsänderungs-, Liquiditäts- und Konzentrationsrisiken plus qualitative No-Gos. Drittens wurden Auslagerungen zentralisiert: Register, Kritikalitäten, Mindestvertragsinhalte, laufende KPIs, abgestimmte Unterauslagerungsregeln, Exit-Fahrpläne.
Begleitend justierten IT und Informationssicherheit vier alltägliche Dinge: Rezertifizierung von Rechten, Change-Fenster mit echten Go/No-Go-Entscheiden, Notfallübung mit Fachbereichen, Auswertung von Logs mit Rückkopplung in die Prozesse. Drei Monate später fühlten sich Sitzungen kürzer und klarer an. Entscheidungen hatten einen Rahmen. Auditorien wurden entspannter. Die Technik blieb nicht fehlerfrei – aber überraschungsarm. Das ist, in MaRisk-Sprache, ein wirksames System.
Der praktische Gewinn lässt sich auf drei Sätze reduzieren. MaRisk macht schneller, weil Schwellen, Eskalationen und Maßnahmen vorher klar sind. MaRisk macht ruhiger, weil Notfälle geübt und Auslagerungen steuerbar sind. MaRisk macht glaubwürdig, weil Berichte entscheiden lassen statt betäuben und weil Daten den Ton angeben, nicht Anekdoten.
Wer heute die Wahl hat, MaRisk als Pflicht oder als Möglichkeit zu sehen, sollte sich für Letzteres entscheiden. Nicht, weil Rundschreiben romantisch wären, sondern weil sie – richtig gelebt – Freiheit durch Klarheit schaffen: Freiheit für Vertrieb, der weiß, wo er Gas geben darf; Freiheit für IT, die innerhalb von Leitplanken schnell modernisiert; Freiheit für den Vorstand, der im Stress nicht improvisiert, sondern führt. Das ist der Punkt, an dem Paragraphen Praxis werden – und Papier Wirkung.
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