Von Markus Groß auf Donnerstag, 05. November 2020
Kategorie: IT

Complianceverständnis von COBIT 2019

I

m digitalen Zeitalter reicht es nicht aus, innovative IT-Lösungen zu bauen. Organisationen müssen zugleich Risiken beherrschen, Regeln einhalten und Wert für Kunden, Eigentümer und Gesellschaft stiften. Genau hier setzt COBIT 2019 an: als international anerkanntes Framework für IT-Governance und -Management, das Technik, Organisation, Menschen, Prozesse und Nachweise zu einem wirksamen Steuerungssystem verbindet. Eine seiner stärksten Seiten ist die integrierte Sicht auf Compliance – nicht als bürokratische Pflicht, sondern als gestaltbare Fähigkeit, die Sicherheit, Verlässlichkeit und Vertrauen messbar erhöht.

Im Folgenden wird verständlich und praxisnah erläutert, wie COBIT 2019 Compliance im Kern der IT-Governance verankert, welche Bausteine es dafür bereitstellt, wie sich Metriken, Kontrollen und Verantwortlichkeiten verknüpfen, welche Spezialthemen (Cloud, Drittparteien, Daten & KI, Resilienz) besondere Beachtung verlangen – und wie Organisationen daraus echten Geschäftsnutzen ziehen.

1) Compliance als strategische Fähigkeit – nicht als Papierübung

Die regulatorischen Anforderungen steigen: Datenschutz, Informationssicherheit, operative Resilienz, Meldepflichten, Sorgfalt in Lieferketten, Nachhaltigkeit, Finanzmarktregeln – die Liste wächst. Gleichzeitig werden Wertschöpfung und Risiko immer digitaler: Cloud, APIs, Datenplattformen, KI-Modelle, vernetzte Lieferketten. Wer Compliance hier rein reaktiv versteht, handelt stets zu spät.

COBIT 2019 setzt dem eine aktive Sicht entgegen:

So wird Compliance vom Hemmschuh zum Wettbewerbsvorteil: geringere Ausfall- und Haftungsrisiken, schnellere Audit-Zyklen, kürzere Time-to-Market (weil „richtig“ von Anfang an), höhere Vertrauenswürdigkeit gegenüber Kunden, Partnern, Aufsichten und Investoren.

2) Die COBIT-Zielekaskade: Von Regeln zu messbaren IT-Zielen

Herzstück von COBIT 2019 ist die Zielekaskade. Sie verknüpft:

  1. Stakeholder- und Unternehmensziele (z. B. Wachstum, Reputation, Compliance, Resilienz, Effizienz)
  2. I&T-bezogene Ziele (z. B. sichere Services, zuverlässige Daten, innovationsfähige Plattformen)
  3. COBIT-Governance- & Managementziele (z. B. Risikooptimierung, Nutzenrealisierung, Drittparteiensteuerung, Change-Kontrolle, Incident-Bewältigung, Leistungs- und Conformance-Monitoring)

Compliance wird dadurch übersetzbar: aus „Wir müssen Vorgabe X erfüllen“ wird „Wir erreichen Ziel Y über diese Prozesse, Rollen und Kontrollen, nachweisbar an diesen Kennzahlen“. Diese Rückverfolgbarkeit ist die Basis für fokussierte Prioritäten – und schützt vor Aktionismus.

3) Governance vs. Management: Klare Zuständigkeiten, klare Wirkung

COBIT trennt Governance und Management sauber:

Für Compliance besonders relevant sind u. a. APO12 (Risikomanagement), APO13 (Sicherheitsmanagement), APO10 (Drittparteien), BAI06 (Change-Kontrolle), DSS02 (Incident-Management), DSS04 (Kontinuität/DR) und MEA03 (Konformität). Diese Ziele werden mit Komponenten ausgebaut: Prozessen, Organisationsstrukturen, Policies, Informationen, Skills/Kultur sowie Tools/Services.

4) Das Performance-Management von COBIT 2019: Compliance wird messbar

Statt pauschaler Reifegrade nutzt COBIT 2019 ein differenziertes Performance-Modell. Für jedes Ziel werden:

definiert. Für Compliance bedeutet das:

Wichtig: Messung erfordert Datenquellen. COBIT erwartet, dass Evidenzpfade (ITSM, CI/CD, Cloud-APIs, SIEM, GRC, DLP, DQM, FinOps) explizit geplant werden. Ohne Daten – keine Steuerung.

5) Compliance im COBIT-Prozessbild: Wo Kontrollen leben

Compliance spiegelt sich quer über viele Prozesse:

So entsteht ein geschlossenes System: Regeln → Ziele → Prozesse → Kontrollen → Messung → Nachweise → Entscheidungen.

6) Designfaktoren & Focus Areas: Compliance passgenau zuschneiden

Nicht jede Organisation braucht dieselbe Ausprägung. COBIT 2019 nutzt Designfaktoren (z. B. Strategie, Regulierung, Rolle von I&T, Sourcing/Cloud-Grad, Größe, Kultur, Geografie), um das Governance-System maßzuschneidern. Für Compliance heißt das:

Focus Areas (z. B. Cloud, Sicherheit & Resilienz, Data & AI, DevOps, KMU, OT/IoT) liefern thematische Vertiefung ohne den Kern zu überfrachten.

7) Drittparteien & Cloud: Compliance über die Unternehmensgrenzen sichern

Mit wachsender Auslagerung steigt das Drittparteien-Risiko. COBIT konkretisiert:

In der Cloud bewährt sich Policy-as-Code (z. B. IaC-Scan, Konfig-Drift-Erkennung, Tagging-Disziplin), kombiniert mit FinOps (Kosten-/Nutzentransparenz) und – zunehmend wichtig – GreenOps (Energie/CO₂-Metriken).

8) Daten- und KI-Governance: Datenschutz, Qualität, Fairness, Nachvollziehbarkeit

Compliance ist ohne Daten-Governance nicht denkbar:

COBIT liefert die Governance-Klammer, Data- und KI-Standards die Fachdetaillierung – zusammen entsteht belastbare Compliance-Evidenz.

9) Sicherheit & Resilienz: Compliance, die dann zählt, wenn’s brennt

Regeln werden in der Krise überprüft. COBIT verankert Security & Resilience als Querschnitt:

Wichtig ist die Verzahnung: Was ein Incident-Team erlebt, fließt in Risikobewertung, Policies, Architektur und Trainings zurück. So entsteht kontinuierliche Verbesserung statt „Feuerwehr-Schleife“.

10) Kultur, Ethik & Verhalten: Compliance beginnt bei Menschen

Ohne Ton von oben und gelebtes Verhalten bleibt jede Policy zahnlos. COBIT macht Kultur zur Systemkomponente:

So wird Compliance Teil der Arbeitsweise, nicht „Prüfpunkt am Ende“.

11) Dokumentation & Evidenz: so schlank wie möglich, so stark wie nötig

Gute Compliance-Dokumentation ist klar, auffindbar, versioniert und beweisfähig:

Ziel: So viel wie nötig, um Wirkung zu sichern und Prüfungen zu bestehen – ohne Papierfriedhöfe.

12) Messen, was zählt: KPIs, KRIs, KCIs

Eine praxisnahe Auswahl, die sich bewährt:

Regelmäßige Governance-Reports verdichten diese Werte zu verständlichen Entscheidungsvorlagen.

13) Automatisierung & Continuous Controls Monitoring (CCM)

Ohne Automatisierung wird Compliance zum Kraftakt. COBIT fördert:

Damit steigen Echtzeit-Transparenz und Skalierbarkeit – und die Prüfbarkeit wird einfacher.

14) Typische Fallstricke – und wie COBIT hilft, sie zu vermeiden

15) Beispiele aus der Praxis (kurz und prägnant)

Bank mit hohem Cloud-Anteil
Schwerpunkt APO10/12/13, DSS02/04, MEA03; Policy-as-Code, TLPT-Übungen, standardisierte Meldungen. Effekt: schnellere Incident-Antwort, belastbare DORA-Evidenz, weniger Audit-Findings.

SaaS-Anbieter im B2B
DevOps-Teams mit Compliance-Guardrails, CI/CD-Kontrollen, Drittparteien-Klauseln, Data-Governance für Kundendaten. Effekt: verkürzte Deal-Zyklen, da Due-Diligence mit harte Evidenz beantwortet wird.

Mittelständische Industrie
KMU-Fokus: wenige, wirkungsvolle Ziele; Notfall-/Backup-Schwerpunkte, Lieferanten-Checks light, Security-Awareness. Effekt: deutliche Senkung operativer Risiken ohne Überlastung.

Öffentlicher Sektor
Architektur-Gremium, Interop-Standards, Datenschutz-Evidenz, Resilienz-Übungen. Effekt: höhere Service-Stabilität, bessere Prüfungsergebnisse, mehr Bürger-Vertrauen.

16) Verzahnung mit anderen Standards: COBIT als Orchestrator

COBIT ersetzt nichts, es verbindet:

Ergebnis: ein System, viele Perspektiven – ohne Doppelarbeit.

17) Nachhaltigkeit und Green IT: Compliance mit Blick auf ESG

Zunehmend wichtig: Nachhaltigkeitsanforderungen in der IT. Governance adressiert:

So wird IT-Governance zum Hebel für ESG-Compliance und sichtbaren Beitrag zum Unternehmenszweck.

18) Was gute Compliance unter COBIT 2019 auszeichnet (Leitbild)

19) Fazit: COBIT 2019 macht Compliance wirksam

COBIT 2019 liefert alles, was ein modernes Unternehmen braucht, um Compliance in Wert zu übersetzen:

So wird Compliance zur robusten Fähigkeit – nicht nur, um Audits zu bestehen, sondern um Verlässlichkeit, Geschwindigkeit und Vertrauen in einer hochdynamischen, digitalisierten Welt zu sichern. Unternehmen, die COBIT 2019 so verstehen und leben, gewinnen gleich doppelt: weniger Risiko und mehr Wirkung.

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